Protest gegen Queerfeindlichkeit

Westtribüne Spiel BVB - FC Köln Banner mit Aufschrift "Gemeinsam gegen Homophobie"
Quelle: Thomas Bielefeld

Die problematischen Aspekte des Transfers von Felix Nmecha wurden in diversen Stellungnahmen und Berichten bereits ausführlich diskutiert. Und auch, dass Queerfeindlichkeit sich natürlich nicht nur an seiner Person festmachen lässt, sondern ein grundsätzliches Problem in unserer Gesellschaft und insbesondere im Stadion ist. An dieser Stelle soll es deshalb primär um die Vorkommnisse am und um den letzten Spieltag gehen, die aber natürlich im entsprechenden Kontext zu sehen sind.

Da sich im Zuge der ganzen Debatte über Queerfeindlichkeit Betroffene völlig im Stich gelassen fühlen (auch vom BVB), möchten wir einerseits unsere Solidarität bekunden und uns andererseits auch beim Verein Gehör verschaffen. Die Angelegenheit wird und wurde vernachlässigt, und sie ist längst nicht abgeschlossen. Wenn in einem sozialen Gefüge wie Borussia Dortmund auch nur eine Minderheit menschenfeindliches Gedankengut in unser Stadion trägt, ist vom einfachen Fan bis zur Geschäftsführung jede*r einzelne gefragt, dieses Gedankengut zurückzudrängen. So hoffen wir nach der mehr als unglücklich verlaufenen und katastrophal kommunizierten Verpflichtung von Felix Nmecha weiter auf ein zukünftig stärkeres Eintreten des Vereins gegen Queerfeindlichkeit und darauf, dass symbolischen Aktionen Taten folgen.

Rund um unser Spiel gegen den 1. FC Köln wurde mit verschiedenen Bannern auf das Thema aufmerksam gemacht. Diese Aktion wurde nicht nur von uns, sondern auch von anderen solidarischen Gruppen und insbesondere von Betroffenen selbst mitgetragen und unterstützt. An dieser Stelle ein großes „Danke!“ dafür.

Dass die Aktion(en) nicht bei allen gut ankommen würden, haben schon die Social-Media Kommentare in der Sommerpause gezeigt und ist für Betroffene leider schon immer allzu klar. Aber gerade deshalb sind solche Aktionen so wichtig. Wie tief diese Gräben aber liegen, hat dann der letzte Spieltag auf erschütternde Art und Weise gezeigt.

Aktion 1: Wir hatten die Möglichkeit, auf der West zwischen Ober- und Unterrang das (bereits bekannte und vom BVB für Social-Media-Aktionen gerne genutzte) große Banner mit der Aufschrift „Gemeinsam gegen Homophobie“ zu zeigen. Dieses durften wir dort bis zum Anpfiff hängen lassen. Nachdem das Banner nach Öffnung der Stadiontore eine Weile hing, wurde es durch einige Personen teilweise heruntergerissen und beschädigt. Der Ordnungsdienst verhinderte dabei Schlimmeres – ob es weitere Konsequenzen für die Täter geben wird, erwarten wir mit Spannung. Wir konnten den Schaden beheben und das Banner erneut aufhängen, sodass es bis Anpfiff ein gutes Bild ergab und ein deutliches Zeichen gesetzt wurde.

Aktion 2: Zur zweiten Halbzeit wollten wir, gemeinsam mit anderen solidarischen Gruppen sowie Betroffenen selbst, an verschiedenen Stellen auf der Südtribüne mit mehreren Bannern auf die Missstände aufmerksam machen und ein weiteres Zeichen gegen Queerfeindlichkeit setzen. Dabei sollte unter anderem auf den Grundwertekodex des BVB aufmerksam gemacht werden. Was sich dabei dann abspielte, ist noch immer kaum in Worte zu fassen: Der Hass bei einigen sitzt offensichtlich so tief, dass diese sich dazu berufen fühlten, Banner zu zerstören und sogar handgreiflich zu werden. Auch wenn homo-, trans*- und queerfeindliche Kommentare und Gesänge traurigerweise fast schon an der Tagesordnung sind, ist das aktive Eingreifen in unsere Aktionen eine krasse Eskalation. Uns liegen Berichte vor, dass Menschen, die sich solidarisch mit der Aktion zeigen wollten, massiv angegangen wurden. Verbal und körperlich.

Wir fordern den Verein auf, Betroffenen zuzuhören, deren Sorgen und Ängste ernst zu nehmen und sich zu 100 Prozent hinter solche Aktionen zu stellen. Wir fordern, dass Menschen, die sich nicht an den Grundwertekodex halten, keinen Fuß mehr ins Westfalenstadion setzen werden. Wir fordern andere auf, sich solidarisch zu zeigen und klare Kante gegen menschenverachtendes Verhalten zu zeigen.

Unsere Strukturen stehen allen offen, die sich in diesem Sinn einbringen möchten, und wir laden jederzeit zum Mitmachen ein. Über unsere Social-Media-Kanäle gibt es immer die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Auch bei unseren regelmäßigen, offenen Treffen freuen wir uns über einen Austausch.

An dieser Stelle sei aber auch erwähnt, dass uns viele positive Rückmeldungen erreicht haben. Betroffene haben sich für die Solidarität bedankt. Andere haben berichtet, dass sie sich durch solche Aktionen nicht mehr ganz so alleine fühlen und uns solidarische Grüße geschickt. Darüber freuen wir uns sehr. Außerdem möchten wir uns bei den Fanbeauftragten und dem Fanprojekt für ihren Support bedanken, auf den wir uns stets verlassen können.

Abschließend sei gesagt: Einer Sache könnt ihr euch sicher sein: Wir als ballspiel.vereint! werden weiterhin gemeinsam mit vielen solidarischen Boruss*innen gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einstehen und zu 100 Prozent solidarisch mit Betroffenen sein.

Für ein lautes, diskriminierungsfreies Westfalenstadion.

Respect?

Im Hinspiel der Youth League in Sevilla wurde unser Jugendspieler Abdoulaye Kamara von Spielern des FC Sevilla rassistisch beleidigt. Bis auf eine kurze Spielunterbrechung gab es keine Konsequenzen, da der Schiedsrichter angab die Beleidigungen nicht gehört zu haben.
Nach dem Spiel reichte der BVB eine Beschwerde bei der UEFA ein, welche aber nach Einschätzung von Lars Ricken zu nichts führen wird, da der Schiedsrichter nichts bemerkt hat.Im Gespräch mit den Ruhrnachrichten kündigte Ricken nach dem Spiel an, dass der BVB das Feld verlassen wird sollte es beim Rückspiel oder in einem anderen Spiel erneute Vorfälle dieser Art geben.
Unabhängig von dem Ergebnis dieser Beschwerde wollten wir unsere Solidarität mit Kamara ausdrücken und in Brackel während des Rückspiels gegen Sevilla ein Spruchband mit der Aufschrift
„Solidarität mit Kamara! ¡Contra el racismo!“ zeigen.
Außerdem war geplant das Spruchband im Westfalenstadion auf der Westtribüne hochzuhalten während die Mannschaften sich warmmachen. Wegen letzterem nahmen wir dann Kontakt mit den Fanbeauftragten des BVB auf und erhielten die Rückmeldung, dass die UEFA das genehmigen
müsste.
Die UEFA verbot aber nicht nur das Zeigen auf der Westtribüne, sondern auch, dass das Spruchband in Brackel gezeigt wird. Als Grund wurde uns genannt, dass es ja keine Beweise für die rassistischen Beleidigungen gibt und wir durch das Spruchband mit dem Finger auf Sevilla zeigen würden.
Während das Spruchband also nicht ins Stadion durfte, wurde Kamara von demselben Spieler wie im Hinspiel wieder rassistisch beleidigt. Dies wurde von einem anwesenden Sanitäter auch gehört und bestätigt. Das Schiedsrichtergespann hatte die Ohren aber wieder woanders und hat davon nichts mitbekommen. Stattdessen wollte ein UEFA-Offizieller unserem Jugendtrainer Tullberg erklären, wie ein Affe klingt und was ein Affe sagt nachdem Tullberg sich bei ihm beschwert hatte.
Enttäuschenderweise erwiesen sich die Worte von Lars Ricken nach dem Hinspiel als heiße Luft und anstatt mit der kompletten Mannschaft das Feld zu verlassen wurde Kamara „sicherheitshalber“ in der Halbzeitpause ausgewechselt. Die Begründung hierfür lieferte der BVB am 12. Oktober in einer Stellungnahme auf der Vereinshomepage nach. Laut BVB hat man den Platz trotz der rassistischen Beleidigung nicht verlassen, weil der Schiedsrichter nichts von einer rassistischen Beleidigung wissen wollte und man Sorge hatte, dass bei einem Spielabbruch im Zweifel Aussage gegen Aussage steht und man hätte befürchten müssen, dass Spieler und/oder Mannschaft noch bestraft werden.
Vor dem Champions League Spiel haben wir das Banner dann vor dem Stadion hochgehalten um zumindest in den sozialen Medien darauf aufmerksam machen zu können.
Wir fordern von der UEFA sich nicht hinter einer inhaltsleeren „Respect“-Kampagne zu verstecken, sondern rassistische Vorfälle aufzuklären und rassistische Beleidigungen zu ahnden.
Dazu gehört selbstverständlich auch Beschwerden ernst zu nehmen, Betroffene anzuhören und zu schützen. Die Reaktion des Schiedsrichtergespanns im Rückspiel wirft auch die Frage auf inwiefern
Schiedsrichter seitens der UEFA im Hinblick auf rassistisches Verhalten sensibilisiert werden.
Vom FC Sevilla erwarten wir das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Wieso kann ein Spieler wiederholt seinen Gegenspieler rassistisch beleidigen ohne, dass es seitens des Vereins eine Reaktion geschweige denn Konsequenzen gibt?
Auch der BVB sollte sich hinterfragen wieso den großen Worten keine Taten folgen. Insbesondere wenn man doch selbst davon ausgeht, dass Beschwerden bei der UEFA zu nichts führen.
Volle Solidarität mit Kamara und allen anderen Betroffenen von Rassismus! ¡Contra el racismo!

Offener Brief an die Polizei Dortmund

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident Lange,
sehr geehrte Frau Vizepräsidentin Dorndorf,

ich schreibe Ihnen im Auftrag des Begleitausschusses der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Wie Sie wissen besteht das Gremium aus allen wesentlichen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen unserer Stadt. Das Gremium hat am 10.Oktober einstimmig beschlossen, Sie aufzufordern, die Neonazi-Aufmärsche durch die Nordstadt zu untersagen.

Begründung:

Die menschenverachtenden Morde sowie die Angriffe auf die Synagoge in Halle durch einen Rechtsextremen erschüttern das ganze Land, erschüttern auch die demokratische Dortmunder Stadtgesellschaft zutiefst.

Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland angegriffen werden. Die Angriffe und Morde von Halle, jeder Angriff auf jüdische Menschen und Einrichtungen sind Angriffe auf uns alle und auf die Werte unserer freien Gesellschaft. Antisemitismus ist deshalb mit aller Kraft und rechtsstaatlichen Härte zu bekämpfen, auch in Dortmund. Auch die Dortmunder Polizei hat sich mehrfach klar gegen Antisemitismus geäußert und ist im März 2019 dem Dortmunder Netzwerk gegen Antisemitismus beigetreten.

Trotzdem ziehen in Dortmund Neonazis immer wieder mit antisemitischen Parolen und dem Ruf „Nie wieder Israel“ durch die Straßen. Allerdings wird im Auftreten deutlich, dass es sich nicht um eine wie immer geartete „Israel-Kritik“ handelt, sondern um Antisemitismus. Dies wird in den Störaktionen beim Pogromnacht – Gedenken in Dorstfeld, aber auch beim Skandieren der Parole „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“, der Unterstützung der notorischen Holocaust-Leugnern Ursula Haverbeck sowie andere auch gerichtlich anhängige Äußerungen deutlich wie die des „Die Rechte“-Bundesvorsitzenden Sascha Krolzig, der den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Bielefeld als „frechen Juden-Funktionär“ bezeichnet hat und dafür am 10. Oktober 2019 in zweiter Instanz verurteilt wurde. Dies sind nur einige Beispiele für die antisemitische Grundhaltung der Dortmunder Neonazis.

Diese Rufe sind der verbale Aufruf für antisemitische Taten und Täter in Halle oder sonst wo. Die Dortmunder Neonazis haben angekündigt, an 12 Montagen durch die Nordstadt zu marschieren – zwei dieser Montags-Aufmärsche haben bereits stattgefunden, der nächste ist für den kommenden Montag angekündigt. Es ist zu erwarten, dass auch dabei wieder die o.g. sowie weitere antisemitische Parolen gebrüllt werden.

Nicht nur, aber erst recht seit dem rechtsextremen Attentat in Halle halten wir das für unerträglich und nicht hinnehmbar. Es muss insbesondere für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gerade auch in Dortmund wie ein Hohn klingen, wenn wenige Tage nach dem Terror in Halle und dem Angriff auf die dortige Synagoge der verbale antisemitische Hass auf den Straßen marschiert und zu hören ist.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Mai 2018 festgestellt, dass allein durch das Skandieren dieser Parolen die Grenzen der Meinungsfreiheit nach Art 5 GG noch nicht überschritten seien und für sich genommen nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Gleichzeitig hält das Gericht fest, dass es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gäbe, „(….) dass der Antragsteller (hier: die Partei DIE RECHTE) die Parole ‚Nie wieder Israel‘ oder eine vergleichbare Äußerung im Zuge der angemeldeten Versammlung mit einem paramilitärischen oder einem sonst die Bevölkerung einschüchternden aggressiven, gewalttätigen Auftreten verknüpfenwerde.“
Gerade nach dem Terroranschlag in Halle sind wir der Auffassung, dass das nicht so stehen bleiben darf. Denn was sollte vor den Hintergrund der von einem Rechtsextremen verübten und der geplanten weiteren Morde an Mitgliedern der jüdischen Gemeinde in Halle die von Nazis in Dortmund gebrüllte Parole „Nie wieder Israel“ anderes sein als ein „die Bevölkerung einschüchterndes aggressives, gewalttätiges Auftreten“?

Dazu kommt, dass der Dortmunder Neonazi-Aufmarsch am kommenden Montag wahrscheinlich bundesweit der erste rechtsextreme Aufmarsch nach den schrecklichen Ereignissen in Halle sein wird. Deshalb ist damit zu rechnen, dass er aus diesem Grund medial weit über Dortmund hinaus begleitet, beobachtet und kommentiert werden wird. Dortmund würde dann wieder einmal bundesweit in das Licht einer Nazi-Hochburg geraten, in der Rechtsextreme sogar nur fünf Tage nach einem rechtsextremen Attentat ungestört marschieren dürfen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte zudem, dass der Täter von Halle auch gezielt Jagd auf Menschen mit Migrationshintergrund gemacht hat. Er tötete in einer Döner-Bude einen Migranten und versuchte weitere zu töten, was ihm nur auf Grund einer Ladehemmung der Waffe misslang. Neonazis danach durch die Nordstadt ziehen zu lassen – einem mehrheitlich migrantisch geprägten Viertel – im dem auch der NSU mit einem Kiosk-Mord seine Spuren hinterlassen und viel Leid verursacht hat, ist nicht hinnehmbar.

In diesem Zusammenhang wollen wir auch unseren Unmut nicht verhehlen, dass beim letzten Aufmarsch die Neonazis – entgegen der Zusicherung der Polizei – an der NS-Mahn- und Gedenkstätte Steinwache und dem NSU-Mahnmal vorbeigeleitet wurden.

Bereits vor zwei Wochen haben die Neonazis am Jüdischen Neujahr mit dem Skandieren „Nie wieder Israel“ und „Palästina hilf uns doch, Israel gibt es immer noch“ für bundesweite Empörung gesorgt und auch den israelischen Botschafter zu einem klaren Statement genötigt. Am 14. Oktober und dem 21. Oktober sind zudem erneut jüdische Feiertage. Daher sind solche Aufmärsche überhaupt nicht hinnehmbar. Am kommenden Montag ist der Eklat vorprogrammiert, da mit Dieter Riefling einer bekanntesten Hetzer der deutschen Neonazi-Szene – er ist mehrfach einschlägig vorbestraft – als Redner angekündigt ist.

Wir fordern Sie deshalb auf, vor diesem Hintergrund die Aufmärsche zu verbieten. Noch heute werden drei zivilgesellschaftliche Organisationen für den kommenden Montag jeweils Versammlungen anmelden.

Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit dürfen in Deutschland, dürfen in Dortmund keinen Platz haben.

Im Namen der Mitglieder des Begleitausschusses
Hartmut Anders-Hoepgen
Vorsitzender des Begleitausschuss

Nachrichtlich: Zivilgesellschaftliche Mitglieder im Begleitausschuss:

  • Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus
  • Bündnis Dortmund gegen Rechts
  • BlockaDo
  • Arbeitskreis Christen gegen Rechtsextremismus
  • Runder Tisch gegen Extremismus Lütgendortmund
  • Runder Tisch für Toleranz und Verständigung in Dorstfeld
  • Netzwerk gegen Rechts in Mengede
  • Runder Tisch für ein demokratisches Eving
  • Förderverein Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergpark – Komitee
  • BVB – Fanbeauftragte
  • Fan- Initiative „ballspiel.vereint!“
  • Mitglieder der Ratsfraktionen CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke
  • DGB Dortmund-Hellweg
  • Katholische Stadtkirche
  • Auslandsgesellschaft NRW e.V.
  • BackUp
  • CoBaYana
  • Quartiersdemokraten
  • Jugendring Dortmund